5. Projektkonzert - Josquin trifft Luther

25. September 2005, Thomaskirche zu Leipzig

Kammerchor Josquin des Préz
Leipziger Concert
Calmus Ensemble
Bläser-Collegium Leipzig
Musikalische Leitung: Ludwig Böhme

Josquin des Préz
De profundes clamavi, fünfstimmige Motette (New Josquin Edition [NJE] 15.13)
Missa Gaudeamus vierstimmige Messe (NJE 4.2)
Pater noster / Ave Maria zweiteilige, sechsstimmige Motette (NJE 20.9)

Johann Walter, Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Johann Hermann Schein, Ein feste Burg ist unser Gott
Johann Sebastian Bach, Aus tiefer Not schrei ich zu dir, Kantate BWV 38 für Soli, Chor und Orchester
Michael Praetorius, Vater unser im Himmelreich, achtstimmige Motette
Heinrich Schütz Nun lob, mein Seel, den Herren, achtzehnstimmige Psalmenvertonung für Chor und Instrumente, SWV 41 aus: Psalmen Davids (Dresden, 1619)

Eines der bedeutendsten zeitgeschichtlichen Ereignisse, das in die Lebzeiten Josquin des Préz’ fiel, war die 1517 durch Martin Luther ausgelöste Reformation. Natürlich haben sich Josquin und Luther nie getroffen, und die Gegensätze zwischen diesen beiden Zeitgenossen könnten auf den ersten Blick kaum größer sein: Josquin, ein langjähriger Diener des Papstes und vermögender Pfründenbesitzer, steht im klaren Kontrast zum kritischen Theologen und Reformator Luther. Die Kraft der geistlichen Musik jedoch vermag es, eine Verbindung zwischen den anscheinend so fernen Persönlichkeiten zu knüpfen.

In Luthers Theologie besaß die Musik eine überragende Bedeutung: »Ich liebe die Musik. Denn sie ist ein Geschenk Gottes und nicht der Menschen, sie macht das Gemüt froh, sie verjagt den Teufel, sie bereitet unschuldige Freude. Darüber vergehen Zorn, Begierden, Hochmut.« Dabei waren es in besonderer Weise die Kompositionen des Klerikers Josquin des Préz, die Luther als beispielhaft für gottesdienstliche Musik ansah: »Josquin ist der noten meister, die habens müssen machen, wie er wolt;die andern Sangmeister müssens machen, wie es die noten haben wöllen.«

Das V. Konzert von »Josquin – Das Projekt« inszenierte musikalisch eine »Begegnung« von Kapellmeister und Reformator: Josquins Werke wurden mit protestantischer, mitteldeutscher Musik des 16. bis 18.Jahrhunderts kombiniert und konfrontiert. So erklang beispielsweise der 130. Psalm sowohl in lateinischer Sprache (vertont von Josquin) als auch in der deutschen Luther-Übersetzung (Johann Walter bzw. Johann Sebastian Bach). In ähnlicher Weise wurde auch das Vater unser »doppelt« gesungen (Josquin/Praetorius). Durch die Ausrichtung der Stücke nach einem fiktiven Gottesdienstablauf entstand so nicht nur der reizvolle Kontrast zwischen der Musik Josquins und der eines Johann Sebastian Bach, sondern auch der zwischen protestantischer (lutherischer) und katholischer Liturgie.

Auch das Hauptwerk des Abends stellte einen subtilen Bezug zwischen Josquin und Luther dar: Die »Missa Gaudeamus« beruht auf dem gregorianischen Introitus-Motiv des Allerheiligen-Festes – am Vortag von Allerheiligen 1517 brachte Martin Luther seine 95 Thesen in Umlauf und löste dadurch die Reformation aus. In der Leipziger Volkszeitung vom 27. Septmeber 2005 hieß es dazu: „Dieses durchdachte Konzert mit zahlreichen Binnenbezügen ist sehr angenehm, denn trotz der unterschiedlichen Stile (zwischen Josquin und Bach liegen harmonisch Welten!) wirkt es wie aus einem Guss. Der Kammerchor Josquin des Préz singt die Messe sanft pulsierend, dynamisch fein abgestuft und mit stilsicherer Binnendifferenzierung. Melismen wie das freudig aufsteigende „Hosanna"-Motiv perlen mühelos."

Den Abschluss des Konzerts bildete schließlich die festliche Psalmvertonung »Nun lob, mein Seel, den Herren« von Heinrich Schütz – komponiert im Jahre 1617 in Dresden zur 100-Jahr-Feier der Reformation.

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